Bourbeck, Christine                                                                                     [ zurück ]


geb. 19.6.1894 Hage
gest. 20.2.1974 Bad Pyrmont
luth
Theologin; Dr. theol., D. theol. h. c.

Die Tochter des Hager Kaufmanns Hermann Bourbeck und seiner Frau Anna, geb. Gerdes, besuchte nach der Grundschule in Hage von 1904 bis 1910 die Höhere Töchterschule in Norden, anschließend das Oberlyceum in Emden. Nach dem Abitur 1913 folgte das Emder Lehrerseminar, wo sie 1914 die Lehramtsprüfung für Volks- und Mittelschulen ablegte. Danach war sie bis 1920 an einer höheren Privatschule in Westrhauderfehn angestellt; gleichzeitig unterrichtete sie auch an der dortigen Winter-Seefahrtschule. Von 1920 bis 1927 leitete Bourbeck eine Privatschule in Dornum und unterrichtete auch. Daneben bereitete sie sich auf das Universitätsstudium vor, legte 1924 das Hebraicum, 1926 das Latinum und Graecum ab und studierte nebenbei von Dornum aus in Marburg und Münster Theologie, Germanistik, Philosophie und Psychologie. Aber erst als der jüngste Bruder Hermann sein Theologiestudium 1927 beendet hatte, konnte die 33jährige, die bis dahin noch den jüngeren Geschwistern Vater und Mutter ersetzen mußte, an die Universität gehen. In nur sechs Semestern studierte sie in Münster und Jena. Nach dem Philologischen Staatsexamen erhielt sie noch 1930 die Leitung der kirchlichen Oberschule für Mädchen der Inneren Mission in Leipzig (Dumas'sche Schule) übertragen und holte dort nebenbei 1933 ihr Assessor-Examen nach. Von 1934 bis 1938 hielt sie außerdem katechetische Übungen am Prediger-Collegium St. Pauli in Leipzig. Als die Nationalsozialisten 1938 den Religionsunterricht verdrängten, richtete Bourbeck zunächst in Leipzig katechetische Lehrgänge ein. Von 1938 bis 1939 leitete sie in Bethel bei Bielefeld eine Bibelschule des Burkhardhauses und die Katechetenausbildung der Bekennenden Kirche. Als das Burkhardhaus diese Schule bei Kriegsbeginn schloß, legte Bourbeck am 3. April 1940 ihr Zweites theologisches Examen vor dem Prüfungsausschuß des Ev. Konsistoriums der Kirchenprovinz Westfalen in Münster ab. Sie wurde am 25. August 1940 in Berlin ordiniert und stand von 1939 ab im Dienst des zweiten Pfarrers bei der Schwesternschaft des Ev. Diakonievereins in Berlin-Zehlendorf. Daneben arbeitete sie weiter wissenschaftlich und wurde 1945 in Leipzig zum Dr. theol. promoviert. 1946 bis 1961 leitete sie die Wohlfahrtsschule der Inneren Mission sowie die durch ihre Initiative gegründete Schwesternhochschule der Inneren Mission in Berlin-Spandau. Gleichzeitig hatte sie die dritte Pfarrstelle am Ev. Johannesstift in Berlin-Spandau inne.1952 legte Christine Bourbeck der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union (die EKU bestand aus den selbständigen Landeskirchen von Rest-Pommern, Brandenburg, Rest-Schlesien, Sachsen, Westfalen und Rheinland) einen Plan vor für mehrmonatige Winterkurse für Lehrvikarinnen. Daraus entwickelte sich das erste Theologinnenseminar in Deutschland, ein Studienseminar, das das für Frauen meist nicht zugängliche Predigerseminar in den einzelnen Landeskirchen ersetzte und zunächst auch von den Lehrvikarinnen aus der DDR besucht wurde. Bereits im November 1952 lief der erste Kurs über fünf Monate. Seit 1927 waren Frauen in der damaligen Evangelischen Kirche der altpreußischen Union (diese Kirche im Lande Preußen bestand von 1919 bis 1945 aus den Synoden und Konsistorien von Ostpreußen, Pommern, Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Westfalen und Rheinland) zwar zum Ersten und Zweiten theologischen Examen zugelassen. In den meisten Gliedkirchen der EKD gab es aber bis nach dem Zweiten Weltkrieg für Frauen außer den verschiedenen Formen des Lehrvikariats keinerlei seminaristische Ausbildung, und auf Predigerseminaren waren Frauen meist nicht zugelassen. Diese Zustände sind vor allem durch Christine Bourbecks Aktivitäten als Studiendirektorin verändert worden; eine Aufgabe, die zu ihren anderen noch hinzukam.Bourbeck hatte fest in der Bekennenden Kirche gestanden. Nach 1945 ist sie immer wieder zur Vertrauensvikarin des Berliner Theologinnenkonvents gewählt worden, von 1951 bis 1965 auch in das Ehrenamt einer ersten Vorsitzenden des Konvents der Evangelischen Theologinnen Deutschlands. Als Nachfolgerin von D. Maria Weigle im Ehrenamt der ersten Vorsitzenden des Konvents Ev. Theologinnen in Deutschland sorgte Bourbeck dafür, daß deren von den Nationalsozialisten verbotenes wichtigstes Organ "Die Theologin" ab 1954 wieder erscheinen konnte.1961 wurde die 67jährige in einer großen Feier vom Vizepräsidenten der Ev. Kirche der Union, D. Dr. Söhngen, in den Ruhestand verabschiedet. Bischof Dibelius meinte aus diesem Anlaß, Bourbeck habe dem Dienst der Frau in der Kirche den Platz zu erobern helfen, der ihm gebühre, und er sagte ein Pastorinnengesetz zu. An diesem Gesetz der Ev. Kirche der Union vom 3. Juli 1962 war Bourbeck dann wesentlich beteiligt. Christine Bourbeck zählt zu den wichtigsten evangelischen Theologinnen Deutschlands, weil sie wesentlich dazu beitrug, daß nach dem Zweiten Weltkrieg in fast allen Gliedkirchen der Ev. Kirche in Deutschland (EKD) sowie auch im damaligen Bund der Ev. Kirchen in der DDR Pfarrstellen von Frauen mit den gleichen Rechten besetzt werden konnten wie von Männern. Zu ihrem 70. Geburtstag verlieh ihr die Universität Göttingen den Ehrendoktor der Theologie.Werke: Festrede zur Hundertjahrfeier der Dumas'schen Schule, geh. im Festaktus am 8. Mai 1932, Leipzig 1932; (zusammen mit Adolf G a u l), Die kirchliche Unterweisung der Getauften (Kirche und Erziehung, 10), München 1938; Schöpfung und Menschenbild in deutscher Dichtung um 1940 , Diss. theol. Leipzig 1946 (Maschr.) (Buchveröffentlichung: Berlin 1947, 2. Aufl. 1948); Trost und Licht. Die Christusbotschaft im Gedicht unserer Tage, Berlin 1947 (2 Auflagen); Die geschichtliche Vormethodik des Religionsunterrichts, Berlin 1947; Rufet danach, in: Die Christenlehre 1, 1948, S. 129-130; Was sagt uns die Bergpredigt heute?, Stuttgart 1948; Die Jahreszeiten unseres Lebens, Nürnberg 1950 (weitere 4 Aufl.); Psychologieunterricht in der Ausbildung der Katecheten, in: Die Christenlehre 4, 1951, S. 2-9; D. Magdalene von Tiling 75 Jahre alt, in: ebd. 5, 1952, S. 122-124; Die Zurüstung der Theologin für das praktische Amt, in: A. Paulsen (Hrsg.), Die Vikarin. Der Dienst der Frau in dem Ämtern der Kirche, Band 1, Gelnhausen und Berlin 1956; Unsere Aufgabe als Christen und Gemeinde gegenüber den Alten, in: Kirche im Volk 20, 1956, S. 56-76; Die Struktur der Zeit in heutiger Dichtung, Berlin 1956; Kommunismus. Frage an die Christen. Der angefochtene Mensch des technischen Zeitalters in Ost und West, Nürnberg 1957; Der Dienst des Christen in der Welt der sekundären Systeme, in: C. Bourbeck (Hrsg.), Diakonie zwischen Kirche und Welt, Hamburg 1958; Von der doppelten Verantwortung der öffentlichen Rede des Christen, in: Gott ist am Werk. Festschrift für Hans Lilje, hrsg. von Heinz Brunotte und Erich Ruppel, Hamburg 1958, S. 192-199; [Rundfunkvortrag] in: Frömmigkeit in einer weltlichen Welt, hrsg. von H. J. Schultz, Stuttgart/Olten/Freiburg 1959, S. 146 ff.; Über den Gebrauch des Schlagworts Schizophrenie in den Zeitdiagnosen, in: Spannungsfelder der evangelischen Sozialllehre, Hamburg 1960; Menschen und Mächte im technischen Zeitalter. Anfechtung, Aufgabe und Verheißung, Lahr 1961; Das Alter im Lichte der Seligpreisung, Gladbeck 1963; Vom kirchlichen Dienst der Frau in einer veränderten Welt, in: Die Theologin, Sonderh. März 1963: Die Theologin im Dienst der Kirche; (Bearb. zusammen mit Gertrud G r i m m e und Ernst K l e ß m a n n), Christ in der Welt, Dortmund 1964; Dienst am Wort. Schriftauslegung für Predigt, Bibelarbeit und Unterricht, 1964; Freiheit in Gottesfurcht. Die Wurzeln des wissenschaftlich-technischen Zeitalters und ihre Bedeutung für das mitmenschliche Leben, Bad Salzuflen 1965; (Hrsg.), Zusammen. Beiträge zu Soziologie und Theologie der Geschlechter, Witten 1965; Die zweite Hälfte unseres Lebens, Gladbeck 1968; Gleichnisse aus Altem und Neuem Testament (Dienst am Wort. Schriftauslegung für Predigt, Bibelarbeit und Unterricht, 8), Stuttgart und Göttingen 1971.Quellen: StAA, Rep. 21 b I, 1050 und II, 1450; Hetta Kromminga, Heimatverein Hage; Hermann Rector, Heimatverein Dornum; P. Ruth Mielke, Minden; P. Elfriede Hülsberg, Lüdenscheid; Bibliothek Ewald H. B. Mennen, Dornum; Eilt Janssen und Diedrich Sassen, Dornum; Heyko Heyken, Hamburg; Prof. Dr. Hannelore Erhart, Univ. Göttingen; Prof. Dr. Christine Reents, Kirchl. Hochschule Wuppertal.Literatur: Der kirchliche Unterricht. Aufgabe, Umfang, Einheit. Bemerkungen zu einem Buch von Prof. D. Hammelsbeck, in: Die Christenlehre 3, 1950, S. 113-116; Gottfried S ö h n g e n, Ansprache bei der Abschiedsfeier für Christine Bourbeck am 24. Juli 1961, in: Die Theologin, 1964, S. 43-48; Ruth M i e l k e, Christine Bourbeck zum 70. Geburtstag am 19.6.64, in: Laetare, 1964, Heft 9/10; Liselotte N o l d, P. S. des Laetare-Verlages, in: ebd., S. 205; Elisabeth H a s e l o f f, Grußwort des Konvents, D. Dr. Christine Bourbeck zum 70. Geburtstag, in: Die Theologin, 1964, H. 1, S. 1-2; Sieghild J u n g k l a u s, Im Berliner Konvent, in: ebd., S. 28-30; Gisela O p i t z - M e u s s, Mater sororum. Christine Bourbeck und das Vikarinnen-Seminar der Evang. Kirche der Union, in: ebd., S. 30-41; d i e s., Nachruf auf Christine Bourbeck, in: Berlin-Brandenburgisches Sonntagsblatt vom 2.8.1992; Gertrud G r i m m e, Christine Bourbeck als Pädagogin, in: ebd., S. 41-43; Eva S e n g h a a s - K n o b l o c h, Die Theologin im Beruf. Zumutung, Selbstverständnis, Praxis, in: Pfarrer in der Großstadt. Studien und Materialien, hrsg. von Dietrich Goldschmidt und Yorick Spiegel, Band 5, München 1969, S. 138-141; Paul O t t e n, Dornum in Vergangenheit und Zukunft, 2. Aufl., Dornum 1989, S. 137; Ruth M i e l k e, D. Dr. Christine Bourbeck (Nachruf), in: Diakonie-Mitteilungen aus dem Diakonischen Werk der Evang. Kirche im Rheinland 11, 1974, S. 48; d i e s., Lebensbild einer westfälischen Pfarrerin, Minden 1991, S. 38, 98, 100-103 (Portr.)Porträt: Photographie in der Landschaftsbibliothek, Aurich.

 
Quelle: Ostfriesische Landschaft, Ursula Basse-Soltau