Kittel, Ludwig Georg Christel                                                                                   [ zurück ]


geb. 19.11.1869 Dornum
gest. 6.8.1946 Dornum
luth
Maler, Graphiker

Wer einen Zirkelschlag von zweimal zehn Kilometern um Dornum setzt, hat damit den Lebensbereich von Ludwig Kittel geographisch umrissen. Während seiner Ausbildung erlebte er die weite Welt in Hannover, München und Düsseldorf, öffnete auch seinen Gesichtskreis durch Schiffsreisen auf der Nordsee. Die schwierigen Lebensverhältnisse nach dem Ersten Weltkrieg hielten ihn in Dornum fest.Ludwig Kittel wurde als zweites Kind des Apothekers Carl Adolf Kittel und dessen Ehefrau Agnes geb. Hansemann in Dornum geboren, dem Mittelpunkt der gleichnamigen Herrlichkeit, damals einer Grundherrschaft der Grafen zu Münster-Derneburg. Die sieben Geschwister, darunter der jüngere Georg, der es später zu einem angesehenen Impressionisten brachte, empfingen Privatunterricht bei der jungen Lehrerin Frieda Weymann, die durch lokalhistorische Abhandlungen hervorgetreten ist. Der Flecken mit seiner städtisch anmutenden Bebauung, der mittelalterlichen Backsteinkirche und den Burgen aus der Häuptlingszeit, dazu der nordwärts am Seedeich gelegene Hafen Dornumersiel, beide Orte umgeben von der fruchtbaren Marsch mit vielen Einzelgehöften, regten die künstlerische Phantasie der begabten Jungen an. Sie besuchten das Ulrichsgymnasium in der Kreisstadt Norden und machten dort ihr Abitur. Ludwig begann mit dem Studium der Ingenieurwissenschaften, namentlich des Hoch- und Brückenbaus, auf der Technischen Hochschule in Hannover. Er trat dort in eine schlagende Studentenverbindung ein, in das Corps Slesvico-Holsatia. 1893 wurde er inaktiviert und ging nach München, wo er das Studium an der Technischen Hochschule fortsetzte. Gleichzeitig besuchte er Kurse an der Kunstakademie (1893 und 1894). Hier legte er den Grund für sein künstlerisches Schaffen. Gleichwohl blieb sein Interesse an der Technik erhalten. So ist bekannt, daß er sich mit dem Wirkungsgrad des Otto-Motors beschäftigte und darüber nachsann, wie man den Hubkolbenmotor verbessern könne. Er kam zu dem Schluß, daß man einen Kreiskolbenmotor entwickeln müsse. Das war in den zwanziger Jahren. (Der Kreiskolbenmotor ist bekanntlich von Felix Wankel erfunden worden und gelangte 1964 zur Baureife.)Die künstlerischen Neigungen Ludwig Kittels prägten sich immer stärker aus, und der verständnisvolle Vater meldete ihn schließlich auf der Kunstakademie in Düsseldorf an. Seine Lehrer sind nicht bekannt. Nach Beendigung des Kunststudiums kehrte Ludwig nach Dornum zurück und betätigte sich dort als Landschafts- und Seemaler wie als Graphiker. Sein ältestes datiertes Bild stammt von 1896, ein Porträt seines Bruders Otto. Das figürliche Zeichnen lag ihm ebenso wie das landschaftliche. Die Bildmotive sind der ostfriesischen Heimat entnommen. Seine Ausdrucksmittel waren von dem Naturalismus der Zeit um 1900 geprägt, ein kräftiges Kolorit zeichnet sie aus. Nur wenige seiner Bilder in (tm)l, Aquarell oder Kreide haben den Weg in öffentliche Sammlungen gefunden. Sie wurden sofort von Liebhabern seiner Kunst erworben und befinden sich jetzt in Privatbesitz. Sie sprechen das Heimatbewußtsein und die Liebe zur ostfriesischen Geschichte an.Carl Friedrich Eucken, Pächter des Wilhelminenhofes in Dornumergrode, pflegte den Künstler auf seinen Segelfahrten mit dem Boot "Leonie" mitzunehmen. Ludwig Kittel hat die Reise nach verschiedenen holländischen Häfen in dem Logbuch beschrieben und meisterhaft illustriert. Seine "Seestücke" zeichnen sich durch eine großartige Gestaltung der Meeresszenarien sowie der Luft- und Lichtstimmungen aus. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, tat der Fünfundvierzigjährige bei der Küstenartillerie in Wilhelmshaven Dienst. August 1916 zum Leutnant befördert, nahm er an einem Einsatz des Marinecorps I in Belgien teil.Allgemein bekannt und populär wurde Ludwig Kittel durch seine Illustrationen in "Ostfreesland. Kalender für Jedermann", den der Verlag Heinrich Soltau von 1914 an druckte und herausgab. Der Kalender erfreute sich bald einer wachsenden Leserschar. Ludwig Kittel schmückte die Texte nicht nur mit Federzeichnungen, er schuf außerdem die Rahmenleisten und die figürlichen Kopfzeilen. Bis 1941 hat er im Ostfreesland-Kalender eigene Textbeiträge geliefert und diese auch illustriert. Sie bezeugen seine außerordentlichen Detailkenntnisse im Leben der Bevölkerung. Als die Deutsche Akademie in München 1943 eine Neuherausgabe des von Wiard Lüpkes ergänzten ostfriesischen Wörterbuches von Doornkaat Koolman plante, empfahl Prof. Dr. Conrad Borchling, Hamburg, Ludwig Kittel mit der Illustrierung zu beauftragen. Die Kriegsereignisse haben die Ausführung verhindert.Seinen Lebensunterhalt verdiente sich der anspruchslose Künstler durch Zeichenunterricht an der privaten Mittelschule in Dornum und durch Auftragsarbeiten, von denen die Urkunden, Diplome und Ehrenbriefe lauter kleine Kunstwerke sind. Er schuf u.a. im Auftrag der Ostfriesischen Landstände in Aurich die Glückwunschadresse für den Reichspräsidenten von Hindenburg im Jahre 1927. Sein Wandgemälde "Pflügender Bauer" in der Dornumer Schule blieb unvollendet. Der sportliche Mann starb in dem eigenen Hause in Dornum, wo ihm unverheiratete Schwestern den Haushalt führten, am 6. August 1946. Auf dem dortigen Friedhof liegt er begraben.Literatur: Ufke C r e m e r, Ludwig Kittel, in: Ostfreesland. Ein Kal. für Jedermann 31, 1948, S. 92-93 (Portr.); Ursula B a s s e - S o l t a u (Hrsg.), Ludwig Kittel und Ludwig Kimme. Lüttje Welt, moi vertellt, Norden 1977; Heinz R a m m, Ludwig Kittel. Maler und Graphiker, in: Jan M e i n e r s, Kiek wo't geiht an d' Waterkant, Norden 1982 (Portr.)

Quelle: Ostfriesische Landschaft,
Heinz Ramm