Die Jahre 1800 - 1803       [ zurück ]

 

                                                                                1920


D
ornumer Privat-Schulgeschichte

Auch in früherer Zeit hat es in Dornum mutige Männer und sicher auch beratende Frauen gegeben, die der Jugend zugetan waren, eine schulische Weiterbildung anstrebten und versuchten.
Da war in Dornum der Pastor Egidius Conrad Vieth, eines jeverländischen Amtmanns und Deichgrafen Sohn, der sich um seine Dornumer Jugend besonders bemüht hat. Haben wir doch von ihm ein in einem einzigen Exemplar vorhandenes Gedicht, in dem er seine Jugend mit einem „Geschenk zum Dornumer Markt“ anspricht. Zudem werden uns interessante Nachrichten aus früheren Dornumer Tagen in den Jahren 1801 bis 1803 übermittelt.



Jugendfest


Zunächst wird uns in dem kleinen Blatt von einem Jugendfest in Dornum im Jahre 1802 folgendes berichtet: „In dem angenehmen Dornum in Ostfriesland hat der Pastor Egidius Conrad Vieht, der aus Neigung zum Erziehungsfache sich immer sehr mit dem Unterrichte und der Bildung der Jugend beschäftigte, eine Erziehungs- und Lehranstalt für eine Anzahl Knaben vom 10ten bis 17ten Jahre errichtet. Die Lehranstalt besteht aus 12 theils einheimischen, theils auswärtigen Zöglingen, welche entweder zum Studieren oder zur Handlung und zu einer sonstigen wohlgebildeten Lebensart bestimmt sind. Nach Maßgabe ihrer Bestimmung erhalten diese täglich in vor- und nachmittaglichen festgesetzten Stunden Unterricht in der christlichen Religion, Geographie, Historie, Naturgeschichte, Zeichenkunst und Physik, zu deren Behuf (Nutzen) eine Sammlung von Naturalien und physikalischen Instrumenten gebraucht wird. Die Unterweisung in der niederen und höheren Rechenkunst wird von einem dazu qualifizierten Schullehrer besorgt. Für ein Herz, welches Sinn für die edleren Freuden der Menschheit hat und beym Anblick des wohlgearteten Jünglings sich schon des glücklichen und nützlichen Mannes freut, der aus ihm erwachsen wird, ist es ein wahres Vergnügen, an diesen Jünglingen zum Theil schon in dem Knabenalter von 10 bis 12 Jahren eine wissenschaftliche Bildung wahrzunehmen, wie man sie selten in diesem frühen Lebensalter findet. Bey guten natürlichen Anlagen pflegen sie in einem Zeitraum von 3 Jahren so weit fortzuschreiten, die deutsche, französische und englische Sprache, die auch gelesen werden, ebenso wie das Lateinische richtig zu schreiben und in schriftlichen Aufsätzen jeder Art, sowie einer mündlichen Unterredung, wie sie im gemeinen Leben vorzukommen pflegt, sich wohl ausdrücken zu können.

Der 11. Februar ist den Zöglingen dieser Lehranstalt immer ein festlicher Tag, weil sie dann als am Stiftungstage des Instituts ein frohes Jugendfest feyern und ihnen zugleich ein schriftliches Urtheil über das Verhalten, so sie im ganzen Jahre beobachtet haben, von ihrem Lehrer übergeben wird, welches ein jeder von ihnen wie ein Heiligtum aufbewahrt. Besonders feyerlich wurde das letzte Jahresfest der Zöglinge daselbst im verflossenen Februar begangen. Gegen 6 Uhr des Abends versammelten sich die meisten in Dornum anwesenden oder in der Nähe wohnenden Eltern der Jünglinge. Die Zöglinge, welche sich eine halbe Stunde zuvor in ihrem gewöhnlichen Lehrzimmer versammelt hatten, wurden sodann in einem geräumigen geführt und setzten sich nach ihrer Ordnung um einen Tisch; ihnen folgten die Eltern und der Lehrer nebst einem Jünglinge von ausgezeichneten Fähigkeiten, welcher schon in einem der ersten Handlungshäuser im Kontor gearbeitet und nachher bey einer angesehenen Societät als Buchführer gestanden hatte. Seine bisherige Station hatte er aufgegeben, um, da er zu einem weiteren und besseren Fortkommen in der Welt ihm an Kenntnis fremder Sprachen mangelte, sich in denselben zu Dornum auszubilden, und er war gerade an demselben Abend bey dem Institute eingetroffen. Durch ein kurzes Gebet, welches die Jünglinge aufs tiefste bis zu Thränen rührte, eröffnete der Lehrer die Feyerlichkeit, auf welche sich die Jünglinge viele Wochen vorher gefreut hatten, ohne zu wissen, was dabey vorgehen sollte. Eine Prüfung in der christlichen Religion, der Geographie, Physik, in der lateinischen Sprache usw. zeigte den Anwesenden die Fortschritte der Zöglinge in diesen Wissenschaften um so zuverlässiger, da der Lehrer derselben kein Freund von vorbereiteten Prüfungen der Jugend ist und sich die Zöglinge im mindesten nicht auf dergleichen hätten gefaßt machen können. Die zum Theil von den anwesenden Vätern zum Theil von dem Lehrer vorgelegten Fragen wurden mit aller Freymütigkeit und bestimmter Deutlichkeit beantwortet, und besonders zeigten einige Zöglinge eine gute und deutliche Einsicht bey der Prüfung in der physikalischen Geographie, von der Einrichtung des Weltgebäudes, den Verhältnissen der Weltkörper zu einander usw. Für die lateinische Sprache wurde ein Kapitel der Biographie des Alkibiades von Corn. Nepos von den dieser Sprache kundigen Vätern ausgewählt.


Prüfung

Nachdem dies geendigt war, wurde über eine Materie, deren Wahl der anwesenden Gesell­schaft war überlassen worden, von dem Lehrer ein Brief von ein paar Seiten dictiert, wel­chen einige der Zöglinge gleich in der französischen, andere gleich in der englischen Spra­che niederschrieben ohne sich dabey irgendeines Hilfsmittels bedienen zu können, indem nach Endigung einer jeden Periode gleich die andere angefangen und den Zöglingen nicht mehr Zeit gelassen wurde, als sie würden nöthig gehabt haben, wenn sie den Brief hätten in der Sprache, in der er dictiert war niederschreiben sollen. Die Prüfung wurde von den Jünglingen gut bestanden. Des dortigen Amtmanns von Halem Sohn übergab nebst zwey anderen Jünglingen der Gesellschaft die von ihnen gleich französisch niedergeschriebenen Exemplare des dictierten Briefes, in welchen man um so mehr die Richtigkeit und das, Gefällige des Ausdrucks schätzte, da ersterer erst in einem Alter von 10 bis 12 Jahren steht.


Abendschmaus


Zwey andere auswärtige Jünglinge überreichten die gleich in der englischen Sprache niedergeschriebenen Übersetzungen desselben Briefes, die gleichfalls von einer Leich­tigkeit, sich in derselben auszudrücken, zeugten, wie sie nicht häufig beym Mangel an Unterricht in der Provinz Ostfriesland unter der Jugend angetroffen wird. Ein Brief in der deutschen Sprache über eine aufgegebene Materie endigte, da die Kürze der Zeit nicht erlaubte, sich weiter auszudehnen, schnell. Hierauf zeigten die Zöglinge die Arbeitsbücher aus dem verflossenen Jahre sowie einige Proben von ihren Fortschritten in der Zeichenkunst und Malerey den Anwesenden, die mit vielem Beyfalle aufgenommen wurden. Den Schluß dieses festlichen Abends für die Zöglinge machte ein kleiner fröhlicher Abendschmaus in Gegenwart der Eltern und des Lehrers.
Welch Freude ist größer als die eines väterlichen und mütterlichen Herzens beym Anblick ihrer Kinder, an denen ihre mannigfaltigen Sorgen und Bemühungen nicht vergeblich gewesen! Mit Wohlgefallen hingen die Blicke der Anwesenden an dem Kreise der frohen Jugend. Eine Pause der nachdenklichen Stille leitete jedes Herz zu ernsthaften Betrachtungen der Gegenwart und Zukunft. Die glücklichen Sinne der eigenen Jugendjahre wurden beym Anblicke dieser, in den Frühlingstagen ihres Lebens stehenden Jünglingen erneuert, und die hoffnungsvollen Bilder der Zukunft, aus ihnen einst glückliche Menschen zu sehen, schwebten jedem Herzen vor. Es war ein Auftritt, wie das menschliche Leben ihrer wenige hat. Durchdrungen von diesen Gefühlen trat der dortige Amtmann von Halem, ein warmer Freund der Jugend, unter sie und hielt aus der Fülle seines Herzens an die Zöglinge eine rührende Anrede voll trefflicher Ermahnungen, deren Befolgung sie mit freudigem Ja beantworteten; dann wurde jedem sein schriftliches Urtheil über sein Verhalten im verflossenen Jahre übergeben, und Eltern und Kinder schieden froh und dankbar gegen Gott, der auch diesen Abend der reinsten Freude gegeben“



Ärgerlich


Doch auch an unangenehmen Begebenheiten mangelte es in Dornum damals nicht. In einem Bericht aus dem Jahre 1803 heißt es: „Am 26ten November entstand in der Schule zu Dornum ein sehr ärgerlicher Auftritt. Der dortige Schullehrer Oncken, der sich in der hiesigen Provinz seit 40 Jahren als Jugendlehrer rühmlichst bekannt gemacht hat, hieß des Predigers Tochter des Apfelessens wegen, weil sie wegen des Beyseitelegens des Apfels durch beständiges Schreien den Unterricht gänzlich störte, so lange nach Hause gehen, bis sie den Apfel genossen hatte. Der Prediger kommt hierauf sehr ungeistlich in die Schule und greift diesen Biedermann beym Kragen, ohne Zweifel unsanfter, als jener Engel den Habakuks; packt diesen würdigen Alten bei der Brust, macht ihm begreiflich, wer er ist und wo wir sind, ja, verspricht auf diese Manier eine bessere Strafmethode in der Schule einführen zu wollen. Durch diesen Auftritt entsteht in der Schule ein allgemeines Weinen unter den Schülern, und einige von den jungen Burschen, so diese der Behandlung weit unter der Würde ihres alten Lehrers halten, geben ihren gerechten Unwillen dadurch zu erkennen, daß sie diesen Vorgang gleich zu Papier bringen und schriftlich dem Gerichte anzeigen. Ob der Prediger von der Obrigkeit bereits auf die angebrachte Beschwerde des Schullehrers und der Schüler zur Ordnung angewiesen ist, ist bis heute nicht bekannt.


Schule gestürmt

In demselben Jahre 1803 wurde übrigens in Dornum sogar die Schule gestürmt, wie aus folgendem Bericht hervorgeht: „In dem angenehmen Dornum ereignete sich im Januar - Monath 1803 ein ziemlich unangenehmer Vorfall. Wer hätte denken sollen, daß ein Ort, wo Jugendfeste gefeiert werden, wo man auf Missionen in andre Weltteile denkt und thätig daran Theil nimmt, daß ein solcher Ort der Hülfe eines fremden Schulmeisters zum Unterricht der Jugend bedürfe?
Demnach fand sich der Schulmeister aus dem benachbarten Dorf Resterhave in der Dornumer Schule veranlaßt, eine Mission nach Dornum zu unternehmen und unmittelbar auf einer dortigen Burg, die zur Zeit nicht bewohnt wird, einen Abendunterricht mit der Dornumer Jugend anzufangen wozu er die Eltern derselben vermitteltst, einer Pubilcation von der Kanzel einladen ließ, die auch, sonst allen Neuerungen sehr abholt, doch diese Novität mit ihrem Beyfall beehrten, weil der Schulmeister des Ortes den in seiner Schule sonst ebenfalls gebräuchlichen Abendunterricht öfters aussetzte und überhaupt ganz unregelmäßig und blos nach Belieben wahrzunehmen für gut fand, wobey aber die Eltern sich längst nicht beruhigen konnten und Ihre Kinder an den langen Winterabenden gern beschäftigt haben wollten.
Eine ziemliche Anzahl von Kindern besuchte demnach die Lehrstunden des Schulmeisters von Resterhave auf der in eine Schule verwandelten Burg und zwischen den alternden Mauern, wo ehemals volle Humpen herumgingen und Jagdhunde zugerichtet wurden, wandelte jetzt ernst und feyerlich der Genius der Pädagogik. Zwar versuchte der Schulmeister Oncken das angefangene gute Werk durch Gegenvorstellungen bey dem Gerichte zu hindern, erhielt aber ohne Zweifel aus begründeten Ursachen einen abschlägigen Bescheid, so daß er sich deswegen bey der Landeskonsistorium zu beschweren für gut befand.
Unterdessen nun entstand der zuerst erwähnte, unangenehme und ärgerliche Vorfall. Eines Morgens nämlich, noch in der Nacht vom 13ten auf den 14ten Januar, fand man in der Schulstube auf der Burg alles ruiniert Stühle, Tische und Bänke zerschlagen, die Bücher zerrissen und nebst den vorgefundenen Lichtern in den Ofen geworfen, so daß leicht darüber hätte ein Brand entstehen können. Es schien, als wenn sehr böse und zugleich sehr unreine Geister in der Schule gehaust hätten, indem sie darin die unflätigsten Ehrendenkmäler ihrer Personen und ihrer That zurückgelassen hatten. Die Fama des Ortes feyerte, wie zu denken, über diesen Vorfall sogleich eines ihrer lebhaftesten Feste, indeß das dortige Gericht den Greuel der Verwüstung besichtigte und demnächst eine Untersuchung in Hinsicht des oder der Urheber des ganzen Vorfalls unternahm, wobey dann leider auch jener Biedermann und würdige Alte in Verdachth gerieht und doch im ganzen nichts ausgemittelt wurde. Aber die Burgschule, wovon manche viel Gutes erwarteten, hatte mit jener nächtlichen Zorn-Exekation und unsauberen Geister-Skandal ein Ende, nachdem sie nur kurze Zeit gewährt hatte. Schade doch um den angenehmen Ort Dornum, der sich sonst durch ein daselbst gefeyertes Jugendfest so sehr ausgezeichnet hat und woselbst nun solche pädagogischen Fäuste das Widerspiel treiben wollen.“



Schulstätten


Damit enden Dornumer Schulberichte aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Der im Bericht erwähnte Schulmeister aus Resterhafe ist der Lehrer Diedrich Janssen Schumann gewesen, der von 1799 bis 1822 im Resterhafer Schuldienst war, die im Bericht genannte Schule in der adeligen Burg ist nicht genau benannt. Es könnte das Schloß sein, das von 1798 bis 1820 dem Geh. Kriegsrat Peter Friedrich Hoffbauer zu Minden gehörte, weil im Bericht von vollen Humpen und Jagdhunden gesprochen wird, zumal die Jagdgerechtigkeit in der Herrlichkeit Dornum bei dem Schloß war. Es könnte aber auch die Osterburg, die als Beningaburg bekannt ist, gewesen sein, weil die Burgfamilie Lantzius - Beninga von Dornum nach dem Gut Stikelkamp verzogen war und diese Dornumer Burg um diese Zeit unbewohnt war.

Mit dem Ende der privaten Schule in einer Dornumer Burg war ein Ende einer Privatschule in Dornum nicht aufgegeben, wenn diese stets wieder den Unterrichtsbetrieb einstellen mußten. So ist bekannt, daß sich in einem Dornumer Hause aus dem Jahre 1781, das 1950 abgebrochen wurde und neugebaut als Möbelhaus, jetzt Mode-Eck Nr. 3 ist, eine private Schule befunden hat. Dann war eine private Schule in Westeraccum, wo auch Dornumer Kinder waren, in dem noch stehenden Hause an der Accumer Riege Nr. 49. Hierzu ist in Dornum noch ein Schulbild vorhanden. Dann ist eine Privatschule an der Dornumer Marktstraße in einem 1927 abgebrochenden Hause gewesen. Nach dem ersten Weltkrieg ist wieder eine private Mittelschule im Dornumer Schloß gewesen, die von der Lehrerin und späteren Pastorin Dr. Christine Bourbeck geleitet und auch wieder geschlossen wurde. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde erneut in der alten Dornumer Volksschule eine private Mittelschule von dem Landwirt Andreas Janssen und Pastor Habbo Lüpkes gegründet und über den Mittelschulverein Dornum unterhalten. Aus dieser privaten Mittelschule ist die jetzige Kreis-Realschule Dornum im Schloß hervorgegangen. Abschließend sei mitgeteilt, daß sich in Dornum bis in neuerer Zeit hinein eine private Strickschule und zwei private Nähschulen für Mädchen befunden haben.

Literatur:

Alte Folianten (Prediger-Denkmal), Dornumer Schloßakten,  Dornumer Grundbuch, Dornumer Straßenverzeichnis. Otten, Dornum, Resterhafer Schulchronik, Friedrich Arends: Erdbeschreibung des Fürstenthums Ostfriesland und des Harlingerlandes. Eigene Aufzeichnungen.

Aus "Heim und Herd", 10/88, Ewald H. B. Mennen



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